Frauenstreik: Die Fotografin, die Katechetin, die Hebamme

Darum streiken sie am 14. Juni

Patricia D'Incau

Die Frauenstreik-Bewegung ist so breit wie die Frauenbiographien bunt. work-Redaktorin Patricia D’Incau dokumentiert drei Beispiele von unzähligen.

LILA WELLE: Tausende Frauen in der ganzen Schweiz sind schon parat, für den Frauenstreik am 14. Juni. Und täglich werden es mehr! (Foto: Yoshiko Kusano)

Yoshiko Kusano (48), Fotografin «Ich bin oft die einzige Frau, die fotografiert»

Fotografin Yoshiko Kusano. (Foto: ZVG)

Am 14. Juni ist Yoshiko Kusano mittendrin. Mit der Kamera in der Hand. Sie will den Frauenstreik in Bildern festhalten. Dokumentieren, wie kraftvoll und kreativ die Frauen an diesem Tag ihre Gleichstellung einfordern. «Und zwar nicht nur an den zentralen Orten wie auf dem Bundesplatz», erklärt Kusano. Sondern auch auf dem Land, in den Fabriken, in den Spitälern und auf den Bauernhöfen in der ganzen Schweiz.

HALTUNG. Damit das gelingt, hat die Fotografin gerade einen Aufruf lanciert. An ihre Berufskolleginnen in allen Landesteilen. Auch sie sollen die regionalen Streikaktionen dokumentieren. Die Bernerin findet es wichtig, dass sie sich für den Frauenstreik zusammentun. Denn: «Es geht dabei auch um eine Haltung, die wir vertreten. Wir zeigen: ‹Hey, es gibt so viele gute Fotografinnen. Es gibt keinen Grund, immer Männer vorzuziehen.›» Gerade das passiere eben auch in ihrem Beruf. Zwar sei die Branche für alle hart, auch für Männer. Aber: «Oft bin ich an einer Veranstaltung die einzige Frau, die fotografiert», erzählt Kusano. Und als sie Mutter geworden sei, haben sie öfter die Frage gehört, ob sie denn jetzt überhaupt noch arbeiten würde. Etwas, was einem Mann kaum passiere.

Den Frauenstreik will Kusano auch nutzen, um die Fotografinnen stärker zu vernetzen. Denn: «Jobs und Aufträge sind rar. Wir stehen immer im Wettbewerb untereinander.» Gerade das soll am 14. Juni anders sein: «An diesem Tag stehen wir zusammen und nicht in Konkurrenz.»


Vroni Peterhans-Suter (56), Katechetin und Vizepräsidentin Schweizerischer Katholischer Frauenbund (SKF) «Aus dem Sumpf der katholischen Kirche waten»

Katholikin Vroni Peterhans (mitte) mit ihren Mitstreiterinnen. (Foto: Pius Amrein)

Ihr Streiktenue hat Vroni Peterhans schon parat: eine selbstgebastelte pinkige Mitra, den Bischofshut, für auf den Kopf. Ein T-Shirt mit dem Frauenstreik-Logo. Und ein Paar schwarze Stiefel, verziert mit pinkigen Punkten. Als Symbol dafür, «dass wir Frauen aus dem Sumpf der katholischen Kirche waten wollen», sagt Peterhans. Sie meint damit die unzähligen Missbrauchsfälle und Skandale in der Kirche. Aber auch, dass Frauen bis heute von allen bedeutenden Posten ausgeschlossen sind. Die Katechetin findet: «Jetzt muss etwas passieren!» Frauen und Männer sollen – auch in der Kirche – gemeinsam entscheiden. Viele andere Kirchenfrauen sehen das genauso. 130’000 Mitglieder hat der Katholische Frauenbund in der Schweiz. Sie alle sollen sich am Frauenstreik beteiligen – und darüber hinaus das ganze Wochenende protestieren. «Die Pfarreisekretärinnen werden die Arbeit niederlegen und Frauen, die fürsorgerische Arbeit machen, Protestsymbole tragen», erklärt Peterhans. Auf die Strasse gehe es dann aber zusammen: «An den regionalen Kundgebungen am 14. Juni sind wir dabei. Solidarisch, mit all den anderen Frauen.»

HÄSSIGER BISCHOF. Wenn der Frauenstreik vorbei ist, geht der Kirchenprotest weiter. Peterhans sagt: «Dann setzen wir uns vor die Kirche und teilen Wein und Brot.» Pinkige Fahnen werden von den Kirchtürmen wehen, die Kirchen mit ­pinkingen Punkten dekoriert sein. «Der steht für das Käppchen, das Bischöfe unter ihrer Mitra tragen», erklärt Peterhans. Indem sie den pinkigen Punkt zum Streiksymbol machen, wollen sie zeigen: Auch die Frauen sind fähig, höhere Ämter zu tragen. «Ja, vielleicht wird ein Bischof hässig. Aber dann wissen wir wenigstens: Wir haben es geschafft, wir werden endlich beachtet», sagt sie und lacht fröhlich.


Barbara Stocker (51), Hebamme und Präsidentin Schweizerischer Hebammenverband (SHV) «Hebammen verdienen zu wenig»

Hebamme Barbara Stocker. (Foto: ZVG)

Am Streiktag stellen sich die Hebammen einen Wecker. Um 11 Uhr wird es surren und klingeln, dort, wo sie gerade im Einsatz sind. Und kurz vor halb 4 gleich nochmals. Ab dann nämlich arbeiten Frauen in der Schweiz, gemessen an den Männerlöhnen, gratis. Hebamme Barbara Stocker erklärt: «Unsere Aktion ist ein symbolischer Weckruf.» Damit es für die Frauen in der Schweiz endlich vorwärtsgehe. Beim Lohn, bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und bei der Aner­kennung der vielen Care-Arbeit, die Frauen leisten.

LEIDENSCHAFT. Streiken können Hebammen nicht, erklärt Stocker: «Die Leidtragenden wären andere Frauen. Und es ist klar: Wir lassen keine Frau im Stich.» Deshalb suchen sie andere Wege zum Protest: Indem sie Buttons tragen, mit den Frauen über die Streikthemen sprechen und an den Demos teilnehmen, die gegen Abend in der ganzen Schweiz stattfinden. Denn: «In unserem Beruf spüren wir jeden Tag den Druck, der auf den Frauen in der Arbeitswelt lastet.» Schon im Wochenbett sei das Thema Arbeit für viele Frauen wieder da.

Der kurze Mutterschaftsurlaub, die Organisation der Schicht- und Nachtarbeit, die geringe Wertschätzung, etwa gegenüber dem Stillen, lösen bei Müttern Stress aus. Genauso wie die Arbeit auf Abruf, die immer mehr zunimmt. Das erleben Hebammen auch selbst, wenn sie Mütter werden. «Zu unserem Beruf gehören unregelmässige Arbeitszeiten», sagt Stocker, «denn Ge­burten finden Tag und Nacht statt.» Manchmal sei dies «Raubbau an der eigenen Gesundheit», findet sie. Deshalb sollte wenigstens der Lohn stimmen. Stocker sagt: «Wir machen unseren Beruf aus Leidenschaft, mit hundertprozentigem Einsatz. Aber für die verantwortungsvolle Arbeit, die wir leisten, verdienen wir zu wenig.» Auch darum geht es der Hebamme am Frauenstreik: «Um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für alle Frauen.»

Der Frauenstreik am 14. Juni

Die Frauen haben genug: Am 14. Juni 2019 kommt der zweite Frauenstreik. Es geht um Lohngleichheit und unbezahlte Haus­arbeit. Um Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und um das Ende von Sexismus und Gewalt. Alle Hintergründe zu den Streik­forderungen, den geplanten Aktionen und den Vorbereitungen in den verschiedenen Regionen gibt es auf: www.workzeitung.ch/frauenstreik.


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